Hausärzteversorgung: Was kann die Kommune wirklich tun?

Unter der Überschrift „Quo vadis, Gesundheitsversorgung?“ diskutierten die Sindelfinger Hausärztin und Vorsitzende der Kreisärzteschaft Dr. Annette Theewen und der Landtagsabgeordnete Florian Wahl auf Einladung der Sindelfinger SPD über die aktuelle Situation in der kommunalen Gesundheitsversorgung.

„Wie ist die aktuelle Situation der Gesundheits- und Ärzteversorgung in Sindelfingen? Wo gibt es Lösungsmöglichkeiten? Und ganz konkret, was können wir als Kommunen tun, um die aktuelle Situation zu verbessern?“ Mit diesen Fragen begrüßten der Sindelfinger SPD-Stadtverbandsvorsitzende Martin Wenger und Stadträtin Sabine Duffner zu diesem Abend. Moderiert wurde er von Birgit Wohland-Braun, selbst Ärztin und Stadträtin.

Dr. Annette Theewen machte in ihrem Impuls zuerst deutlich, dass die Zahl der Zulassungen und damit der Arztpraxen, die sich in einem Gebiet niederlassen dürfen, zu gering und seit vielen Jahren unverändert sei. Hintergrund seien die Zulassungssperren, mit denen man 1993 auf die Ärzteschwemme reagierte, erinnert sich Theewen.  Das Problem: Diese Zahlen seien seitdem nicht den veränderten Entwicklungen angepasst worden. Hinzu komme, dass aktuell nicht einmal alle vorgesehen Fach- und Hausarztsitze belegt seien. Eine Situation, die sich in den kommenden Jahren noch weiter verschärfen werde, da viele Ärztinnen und Ärzte in Ruhestand gehen und nur schwer eine Nachfolge für die Praxen finden würden. Im Vergleich zu ihrer Anfangszeit als Hausärztin habe sich in den letzten 30 Jahren zudem einiges verändert. Der wachsende bürokratische Aufwand aber auch umständliche Digitalisierungsvorgaben, ebenso wie der größere Umfang an Leistung, durch die kürzere Dauer von Klinikaufenthalten, steigere die Belastung insbesondere von Hausärzten, mahnt Theewen. „Es fehlen junge Ärztinnen und Ärzte. Heute haben wir die Situation, dass es zu wenig Studienplätze für Medizin gibt“, so die Sindelfinger Hausärztin. „Wir brauchen dringend mehr Studienplätze.“

Florian Wahl, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD im Stuttgarter Landtag, unterstützt die Forderung nach mehr Studienplätzen für Medizin. Die baden-württembergische Landesregierung müsse hierfür mehr Geld bereitstellen, auch wenn ein Studienplatz das Land 72000 Euro koste. „Doch auch das wirkt erst in ein paar Jahren. Wir brauchen zeitnah Lösungen.“ Er verdeutlichte die Brisanz, welche die Demographie in den nächsten Jahren entfalten werde. Von aktuell 113 Hausarztstellen im Kreis seien 39 über 60 Jahre alt. „Wir werden über 30 Ärztinnen und Ärzte brauchen, um überhaupt den aktuellen Stand zu halten“, so Wahl.

Über die Debatten um Medizinische Versorgungszentren (MVZ) warnte Wahl vor Vereinfachungen und der Darstellung, ein sogenanntes Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) sei ein Allheilmittel für die Probleme vor Ort. So seien durch Investoren betriebene MVZs keine zukunftsfähigen Lösungen. Mancherorts halten diese sich nicht lange, da sie rein wirtschaftlich arbeiten, die Ärzte dort kaum Hausbesuche machen oder kaum in die Pflegeheime gehen, weil sie zu wenig lukrativ seien. Genossenschaftlich oder kommunal betriebene Versorgungszentren könnten bei einer schlechten Versorgungslage sinnvoll sein. Dr. Annette Theewen sieht bei einem kommunal betriebenen MVZ die Gefahr, dass niedergelassene Hausärzte sich benachteiligt fühlen und sich im Zweifel im Versorgungszentrum anstellen lassen, was unterm Strich keinen Gewinn für Patientinnen und Patienten einbringe.

Als abschließende Frage stellte Wohland-Braun in den Raum: „Gesundheitsversorgung ist Daseinsvorsorge und damit eine kommunale Aufgabe. Doch was kann die Kommune konkret tun?“ Hier machte sich Dr. Annette Theewen für die Stärkung von Weiterbildungsverbünden, die junge Ärzte in Hausarztpraxen brächten, stark. Auch müsse man kommunal Praxisräume für Hausärzte in Bebauungsplänen mitberücksichtigen, da gerade die Suche nach geeigneten Räumlichkeiten Praxisansiedlungen oft verkompliziere. Hierbei könne die Stadt ein guter Partner sein und Praxisgründungen erleichtern. Ganz wichtig sei, auch mehr mit der Ärzteschaft selbst zu reden, so Theewen. Ein runder Tisch vergleichbar den Gesundheitskonferenzen wie es sie vielerorts gibt, wäre hierzu ein Signal, so auch das Fazit von Florian Wahl.